Haftung von Internetzugangsprovidern ?

27. Nov 2015 • News • bitkom • Blog & Paper • Wirtschaft, Politik & Gesellschaft • Online & IKT & Elektronik • Marketing & Medien

Nachdem der Bundesgerichtshof Klagen gegen die Telekom und Telefónica abgelehnt hat, ist die Gefahr von Netzsperren aber nicht gebannt. Rechteinhaber müssen selbst stärker gegen Urheberrechtsverstöße vorgehen


Der Digitalverband Bitkom zum Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung von Internetzugangsprovidern für Urheberrechtsverletzungen Dritter: „Wir begrüßen, dass die Klagen der Gema und der Tonträgerhersteller gegen die Internetzugangsprovider abgewiesen wurden“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Der BGH hält eine Sperranordnung in beiden Fällen für unverhältnismäßig. Allerdings schließt der BGH nicht aus, dass Internetzugangsprovider bei Urheberrechtsverletzungen Netzsperren einrichten müssen. Voraussetzung ist, dass die Rechteinhaber zuvor „zumutbare Anstrengungen“ unternommen haben, um die Verbreitung geschützter Inhalte zu verhindern. Rohleder: „Die Gefahr, dass Internetprovider bei Urheberrechtsverletzungen Netzsperren einrichten müssen, ist nach dem BGH-Urteil nicht vollständig gebannt.“

Die Verwertungsgesellschaft Gema hatte von der Deutschen Telekom als Anbieter von Internetzugängen (Access- bzw. Internetzugangsprovider) verlangt, auf technischem Weg zu verhindern, dass ihre Kunden Webseiten mit Links zu urheberrechtlich geschützter Musik aufrufen können. Im zweiten Fall sollte Telefónica ihren Kunden den Zugang zur Webseite „goldesel.to“ sperren, die ebenfalls auf ein illegales Musikangebot verlinkte. Dafür hätten die Internetzugangsprovider eine umfangreiche Sperrinfrastruktur aufbauen müssen. „Internetsperren sollten das äußerste Mittel der Netzpolitik bleiben. Als Maßnahme gegen Urheberrechtsverstöße sind sie völlig überzogen“, sagte Rohleder. Die Interessen der Rechteinhaber seien legitim, aber es wäre fatal, wenn auf diesem Weg die Freiheitsrechte der Internetnutzer eingeschränkt würden. Aus Sicht des Bitkom sollten stattdessen legale Angebote gefördert und illegalen Anbietern die finanziellen Anreize genommen werden. Notwendig sei zudem eine stärkere internationale Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden, da viele illegale Anbieter ihren Sitz im Ausland haben.

Vor diesem Hintergrund kritisiert der Bitkom auch eine verschärfte Haftung für Host-Provider, die im Rahmen der Änderungen des Telemediengesetzes (TMG) geplant ist. Host-Provider speichern die Inhalte ihrer Nutzer im Internet und stellen diese zum Abruf bereit. Dazu zählen zum Beispiel Cloud-Speicherdienste, soziale Netzwerke oder Webhoster, die die Webseiten ihrer Kunden verwalten. Bisher müssen Host-Provider nicht für illegale Inhalte auf ihrer Plattform haften und diese nur unter bestimmten Voraussetzungen entfernen. In Zukunft sollen als illegal eingestufte Dienste immer haften. Dabei bleibt aus Sicht des Bitkom unklar, wie diese Einstufung eindeutig erfolgen soll. Gleichzeitig müssen die seriösen Anbieter nachweisen, dass sie legal handeln, was einen enormen Aufwand verursacht. „Host-Provider werden unter Generalverdacht gestellt, Verstöße gegen das Urheberrecht zu dulden oder sogar zu fördern“, sagte Rohleder. Das sei das falsche Signal, wenn man gleichzeitig digitale Geschäftsmodelle fördern will. Auch andere Institutionen und Experten kritisieren den Gesetzentwurf in diesen Punkten. Renommierte Rechtswissenschaftler halten die geplante Regelung für EU-rechtswidrig und der Bundesrat lehnt die TMG-Änderung komplett ab.